Mein Ausstieg bei SuH und die Politik (neu)

Dies ist der zweite von drei Beiträgen zum Start des Blogs, die seine Vorgeschichte und meinen Weggang von Schicksal und Herausforderung (SuH) etwas aufarbeiten. In meinem dortigen Abschiedspost (siehe auch hier) schrieb ich von 2 Hauptgründen: von fehlender Absprachefähigkeit im Team und Unstimmigkeiten über die Art des politischen Aktivismus, den unser Verein leisten sollte. Dieser Text ist auch hier auf meiner Webseite zu finden.

Allgemeines

Zu meiner Kritik an der Absprachefähigkeit des Teams habe ich darin glaube ich genug geschrieben: immer wieder mussten dieselben Vereinbarungen neu ausgehandelt werden und selbst schriftlich festgelegte Regelungen wurden von Einzelnen nur wie lose Empfehlungen behandelt. Nicht zuletzt auch, als ich mich ausdrücklich gegen den überhastet verfassten Brief aussprach, was in meinen Augen große Missachtung mir als Teammitglied und Teamgründer gegenüber öffentlich breit trat. Mit diesen Bedingungen ist es mir bereits geraume Zeit zuvor im Team von SuH nicht mehr gut gegangen. Bis Herbst 2022 hielt sich noch die Illusion, dass sich das bald irgendwie gütlich lösen lassen würde. Aber es ging nicht vorwärts und schließlich hörte ich auf, gegen diese Mauer anzurennen, und ging stattdessen meinen eigenen Weg weiter.

Mit „Mascha“ (aus dem GSA-Forum) war anfangs mal viel gemeinsame Aufklärungsarbeit geplant gewesen. Doch dann wurde es sehr still darum. Und ihr scheinbar freundschaftliches Verhalten entwickelte sich in eine so toxische Richtung, dass ich ihr nach noch einem allerletzten vergeblichen Schlichtungsversuch die Reste der jahrelangenen Freundschaft und Zusammenarbeit aufkündigte. Ebenfalls Ende 2022. (Details werde ich dazu nicht ausbreiten, da ich ja dasselbe von Mascha erwarte) Das hatte zwar nur bedingt mit meinem Bruch mit dem SuH-Team zu tun, doch ihr großer Einfluss auf das Team ist einer der Faktoren, die in meinen Augen zu diesem untragbaren Zustand hingeführt haben.

Was den politischen Aktivismus angeht schrieb ich von „auseinanderklaffenden Sichtweisen“. Zu diesem Punkt habe ich zurückgemeldet bekommen, dass mein Abschiedsgruß unklar sei. Daher gehe ich hier detaillierter darauf ein.

November 2022 und die Politik

Seit ca. 2017 hat sich die Situation pädophiler Menschen und ihrer Unterstützer insbesondere in Sachen Redefreiheit dramatisch verschlechtert. Unsere Diskriminierung hat meiner Beobachtung nach bis 2016/17 langsam aber stetig etwas abgenommen, aber dann kehrte sich dieser Trend um. Das löst bei vielen Betroffenen Hilflosigkeit, Angst und Wut aus. Bei mir selbst auch. Was liegt da näher als irgendetwas dagegen zu unternehmen? Eine Änderung unfairer Zustände zu fordern?

Verständlich, dass da Bitten an SuH als Verein gerichtet wurden, unsere Position zu nutzen um gezielt an die Politik heranzutreten. Als respektable Organisation innerhalb der Community und vermutlich ältestes Projekt seiner Art ist SuH einfach DIE Anlaufstelle im deutschsprachigen Raum geworden.

Um Anfang November 2022 herum erfuhr der Verein sehr kurzfristig von einer anstehenden Konferenz der Landesjustizminister, bei der auch Kritik an den jüngsten Strafrechtsverschärfungen diskutiert werden sollte. Zur Erinnerung: entgegen dem Rat der eigens zu den Beratungen hinzugezogenen Experten waren einige Zeit zuvor Gesetze gegen „Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild“ erlassen, die Definition von „kinderpornographischen Inhalten“ drastisch erweitert und die Strafen im Bereich dieser und verwandter Delikte empfindlich erhöht worden. Gilgamesh, ein engagiertes und wortgewandtes GSA-Forenmitglied schlug vor, dazu die Ministerien anzuschreiben um einige Argumente darzulegen und lieferte auch gleich einen sehr guten Entwurf für so ein Schreiben. Caspar war sofort dabei und schrieb unter großem Zeitdruck zusammen mit NewMan den Entwurf etwas um damit er das widerspiegelte, was er für Konsenz im Team/Verein hielt. Und binnen weniger Tage verschickten sie es im Namen des Vereins an die Justizminister der deutschen Bundesländer.

  • Ohne sich geordnet die Zustimmung der zuständigen Vereinsorgane einzuholen,
  • gegen meinen privat wie auch öffentlich mehrfach geäußerten Widerspruch als Vorstandsmitglied (ein „Veto“),
  • und ohne das vierte Vorstandsmitglied Leon überhaupt zu informieren.

Leon und ich fühlten uns durch dieses Vorgehen wie Luft behandelt. Ich aufgrund des Übergehens meines zweiten Einspruchs auch öffentlich diskreditiert. Hinzu kam, dass ich mich irrtümlich noch mehr verletzt sah: ich bin zu der Zeit davon ausgegangen, dass wir eine Veto-Regelung in unserer Moderationsrichtlinie festgelegt hätten für den Notfall großer fachlicher Unstimmigkeiten, sodass ein Mitglied des Vorstandes eine jede Aktion des Vereins mit sofortiger Wirkung stoppen könne – bis der Vorstand formell zusammentritt und demokratisch neu entscheidet. Doch so eine Regelung gibt es dort nicht. (siehe hier)Ich kann jetzt, Jahre später, nicht mehr nachvollziehen, wie genau dieses Missverständnis zustandegekommen ist. Meinem Verständnis nach sollten die erfahrendsten Leute im Vorstand sitzen und die Möglichkeit haben, schnell einzugreifen wenn sie den Verein auf einem problematischen Kurs sehen.

Mir kam es damals vor, als hätte Caspar Scheuklappen auf: erst nach dem Versand des Schreibens reagierte er wieder auf meine Nachrichten antwortete und ich diskutierte die Ereignisse mit ihm und mit NewMan in einem langen Telefonat. NewMan sagte mir damals, er wisse von meinem Veto noch nichts habe mit Caspar in dem Glauben gehandelt, es sei alles fein. In dem Gespräch wurde mir klargemacht, dass sie sowie ein paar weitere Foren- und Vereinsmitglieder die Aufgabe des Schicksal und Herausforderung e.V. auch darin sähen, noch direkter als bisher in die Politik einzugreifen, mit konkreten Forderungen gegen diskriminierende Gesetze. [Diese Haltung verneint NewMan heute]
Ich nicht. Warum?

Meine Ansicht zu politischen Aktivitäten ist zum einen geprägt von meinem Glauben. Das ist ein wichtiger Grund, warum ich mich vom Team von SuH getrennt habe: Überzeugung geht vor Vereinsarbeit. Die Art, wie sie laut dem Telefonat unsere Arbeit in politischer Richtung ausdehnen wollten, kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Jesus sagte, dass seine Diener „kein Teil der Welt“ sein sollten und konzentrierte sich auf eine Aufgabe (die „gute Botschaft“ zu predigen), obwohl er sicherlich viele andere gesellschaftliche Missstände seiner Zeit auch hätte thematisieren können. Im Grunde hat er sie sogar thematisiert (Falschheit, Vorurteile, Nationalismus, Sexismus) aber seine Priorität war klar eine andere. Ich verstehe darunter die Aufforderung, mich nicht über Aufklärung hinaus in politische Dinge einzumischen.
Das ist jedoch zugegebenermaßen nur für mich persönlich relevant.

Für SuH als Verein sehe ich (neben der Frage, ob ihnen wichtig ist, dass ich dabei bleibe) gewichtige „weltliche“ Gründe, dem Weg der Selbsthilfe und Aufklärung deutlichen Vorrang vor weiterem politischem Engagement zu geben. Als ich mir im November 2022 Gedanken um die Natur dieser Gründe machte, fiel mir das Wortbild „der Weg ist das Ziel“ ein und ich begann eine Erzählung dazu zu schreiben. Der Unterschied, den ich zwischen der direkten Arbeit in der Selbsthilfe und der Arbeit an der politisch-gesetzlichen Situation sehe: ein Vorgehen bringt schon unterwegs ab dem ersten Schritt positive Ergebnisse, das andere erst später und eventuell auch gar nicht. Hier auf dem Blog findet ihr diese Erzählung im Bereich Texte unter dem Titel „Blumen am Weg“ .

Warum mehr Politik in meinen Augen ein Problem ist

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind zweifellos wertvolle Güter in unserer Gesellschaft. Doch Politik ist auch notorisch unehrlich, korrupt, langsam und zerstritten. Auch bei SuH hatte es schon begonnen, dass wir aus Teamsitzungen oft nur mit dem „kleinsten gemeinsamen Nenner“ rausgegangen sind und mit dem unguten Gefühl im Bauch, viel mehr Kompromisse zu produzieren als echte Zusammenarbeit.
Das Bestreben, Politik gezielt zu verbessern, funktioniert grundsätzlich anders als die Selbsthilfe und verschleißt (so mein Empfinden) selbst äußerst engagierte Leute, spuckt sie oft ausgebrannt oder desillusioniert wieder aus. Es kostet viel Arbeit, birgt viel Potential sich zu zerstreiten, man arbeitet oft mit frustrierenden, teils faulen Kompromissen und ob man für sich und andere einen Erfolg erringt oder überhaupt etwas Lohnendes erreicht ist unklar.
Kurz: viel Anstrengung und Frustration für unwahrscheinliche Vielleicht-Erfolge.

Zu den Kernzielen von SuH gehörten von Anfang an vor allem Selbsthilfe, Aufklärung und Entstigmatisierung. Die wollte ich seit etwa 2016 drastisch ausbauen und professioneller als bisher betreiben. Die Erweiterung des Teams und Gründung des Forums hätte das Alltagsgeschäft der Beratung vereinfachen, „streamlinen“ und so Kapazitäten schaffen sollen, gemeinsam mehr zu tun: Bildungsangebote zu entwickeln und offensiv auf Multiplikatoren und Institutionen zuzugehen. Diese Pläne wurden mündlich vom Team immer bejaht, auch als wir später den Verein gründeten. Trotzdem sah ich jahrelang nur 2 derartige Aktionen – und eine ganze Menge Alleingänge. Der alltägliche Betrieb des Forums, die Angriffe von 2018, Nutzer, die unser Team an seine Grenzen brachten, interne Unstimmigkeiten – das nahm uns voll in Anspruch. Und dann holt man sich einen zusätzlichen Kraftfresser (die Politik) heran? Oder stellt neue unkoordinierte persönliche Bestrebungen über diesen Ausbau der Kernziele von SuH?

Diese „Kernziele“ sind etwas, wo wir Menschen direkt erreichen und definitiv etwas bewegen können. Sie sind weitgehend unabhängig von den meisten Gesetzesänderungen, wenn auch natürlich nicht ganz. Ein Mensch, der aus der Selbsthilfe eine wichtige Erkenntnis mitnimmt – kein Gesetzesänderung der Welt kann ihm die je wieder wegnehmen! Dieses Engagement ist zwar schwierig aber gibt auch viel Energie und Ermutigung zurück.
Kurz: Lohnende Anstrengung und definitive Erfolge.

(Detailliertere Gedanken zur Gegenüberstellung von Selbsthilfe und politischer Arbeit habe ich bei Kinder im Herzen schon im Sommer 2023 veröffentlicht. Eventuell werde ich diesen Artikel anhand des Feedbacks, das ich dort erhielt, später für M2C nochmals überarbeiten.)

Wenn dir einer einen Sack Geld anbietet und ein anderer einen Sack, wo vielleicht Geld drin ist, welchen nimmst du? Klar oder?
Wenn ich die Wahl habe einen Weg zu gehen, wo erst am Ziel vielleicht eine Belohnung wartet, oder einen, wo der Weg selbst das Ziel ist und sowohl mich als auch andere belohnt, dann wähle ich ganz klar den ohne das Vielleicht. Um bereits entlang des Weges Blumen zu pflanzen.

Aus diesen Gründen wäre es mir wichtig gewesen, das Risiko und die Hürden direkter politischer Bestrebungen anderen Vereinigungen zu überlassen (oder dem privaten Bemühen meiner Mitstreiter), die Arbeit von SuH aber nach dem Sprichwort „Schuster bleib bei deinem Leisten“ weiterhin klar auf Selbsthilfe und Aufklärung zu fokussieren um in diesem Bereich unser Engagement koordiniert weiter auszubauen.

Ich hoffe dies macht meine Position und meine Entscheidungen noch ein wenig klarer.

Transparenzhinweis: Auf Bitten von SuH wurde dieser Blogbeitrag etwas überarbeitet. Zuletzt im Oktober 2025.

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